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PMS 03/17 v. 02.03.2017

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"Armut ist keine Statistik" ­– Armutsbericht zeigt auch für Niedersachsen steigende Zahlen

Der Paritätische Wohlfahrtsverband Gesamtverband e.V. hat heute gemeinsam mit renommierten Mitherausgebern seinen neuen Bericht zur Armutsentwicklung in Deutschland vorgelegt. Der guten Wirtschaftslage zum Trotz: Der Anteil von Menschen, die in Armut leben, wächst deutschlandweit, auch in Niedersachsen. Zwischen Harz und Nordsee sind 16,5 Prozent der Menschen von Armut betroffen – die höchste Quote seit Beginn der Erhebung im Jahr 2005 (Deutschland: 15,7 Prozent). „Die Landespolitik darf diese Entwicklung nicht ignorieren“, sagt Birgit Eckhardt, Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Niedersachsen e.V. „Auch auf Landesebene kann viel getan werden, um Menschen aus der Armut zu helfen.“

So sind zum Beispiel Alleinerziehende weit überdurchschnittlich von Armut betroffen – knapp die Hälfte der Alleinerziehenden gilt als arm. Darunter leiden nicht nur die Erwachsenen, sondern vor allem auch die Kinder. „Ihnen bleibt soziale Teilhabe vielfach verwehrt, aber auch eine Vielfalt an Bildung, wie sie für andere Kinder aus wohlhabenderen Haushalten normal ist“, sagt Birgit Eckhardt. „So verfestigen sich schlechte Bildungschancen, was wiederum das Risiko erhöht, als Erwachsener in prekären Arbeitsverhältnissen und Armut zu landen.“ Dieser Gruppe wäre mit verlässlicher und flexiblerer Kinderbetreuung enorm geholfen. Die ist Ländersache. „Die Politik diskutiert eifrig über die Abschaffung des Elternbeitrags für den Kindergarten“, sagt Birgit Eckhardt. „Das hilft aber nur den Besserverdienern – die Geringverdiener sind in der Regel sowieso beitragsbefreit.“ Längere und flexiblere Öffnungszeiten dagegen würden gerade Geringqualifizierten entgegenkommen, die oft im Einzelhandel oder im Schichtbetrieb in sozialen Einrichtungen und Industriebetrieben arbeiten. Kleinere Gruppen und ein besserer Personalschlüssel könnten schon im Kindergarten die Bildungschancen aller Kinder erhöhen.

Generell besorgniserregend ist die Verfestigung von Armut bei Menschen, die arbeiten. Zwar geht die Zahl an ALG-II-Beziehern kontinuierlich zurück – in Niedersachsen von 10,2 Prozent im Jahr 2005 auf zuletzt 9,3 Prozent. Der Anteil der Armen im Land wuchs aber in der gleichen Zeit von 15,5 auf 16,5 Prozent. „Dass jemand Arbeit hat, heißt heute nicht mehr automatisch, dass er auch zu einem gewissen Wohlstand gelangt“, sagt Birgit Eckhardt. Immer wieder gelinge es Arbeitgebern, die Mindestlohnregelung zu umgehen. In vielen Branchen hielten die tariflichen Lohnerhöhungen nicht einmal mit der zuletzt sehr niedrigen Inflation Schritt. „Armut setzt sich in der Gesellschaft fest“, sagt die Vorsitzende des Paritätischen Niedersachsen. „Das hat spürbare Folgen für die Entwicklung von Städten und Gemeinden und für den Zusammenhalt der Gesellschaft.“ Das Land sei gefragt, mit einem guten Bildungsangebot den Anteil von Geringqualifizierten zu senken, auch könne das Land mit gutem Beispiel vorangehen: „An Hochschulen arbeiten Hunderte Wissenschaftler mit Zeitverträgen in prekären Verhältnissen. Sie trauen sich nicht, Familien zu gründen, aus Angst vor der Zukunft. Armut ist längst kein Phänomen der sogenannten bildungsarmen Schichten mehr.“

Neben den Alleinerziehenden und Geringqualifizierten sind vor allem Erwerbslose (Quote: 59 Prozent), AusländerInnen (33,7 Prozent), Deutsche mit Migrationshintergrund (27,7 Prozent) und RentnerInnen (15.9 Prozent) von Armut betroffen. „Armut ist keine Statistik“, sagt Birgit Eckhardt. „Hinter jeder dieser Zahlen steht ein Mensch, ein Gesicht.“

Mehr Informationen zum Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands erhalten Sie im Download- und Linkbereich dieser Seite, siehe unten.

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