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PMS 06/19 v. 15.02.2019

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Kinder suchtkranker Eltern: Probleme früher erkennen, Kindern besser helfen

„Kinder können nichts dafür, dass ihre Eltern suchtkrank sind“, sagt Birgit Eckhardt, Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Niedersachsen e.V., anlässlich der Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien, die am Wochenende zu Ende gegangen ist. „Aber diese Kinder sind selbst enorm gefährdet, eine psychische oder eine Suchtkrankreit zu entwickeln. Deshalb dürfen wir sie nicht im Stich lassen.“


Kinder von suchtkranken Personen haben ein sechsmal höheres Risiko als andere Kinder, selbst in eine Abhängigkeit zu geraten. Etwa drei Millionen Kinder bundesweit leben mit mindestens einem suchtkranken Elternteil – in etwa 2,6 Millionen Fällen geht es um Alkohol, bei etwa 60.000 Familien um illegale Substanzen. Schätzungsweise ist jedes sechste Kind davon betroffen – auch in Niedersachsen. Hinzu kommt eine hohe Dunkelziffer, wenn es um stoffungebundene Süchte geht: Glücksspiel, Mediensucht, Sexsucht. Vor allem das Thema Online-Sucht wird immer wichtiger, denn die Auswirkungen dieser Sucht auf die Kinder sind immens: Die Aufmerksamkeit der Eltern ist ständig abgelenkt, das wirkt sich massiv auf die emotionale Entwicklung schon von Kleinkindern aus. „Diese Zahlen und Zusammenhänge darf die Gesellschaft nicht ignorieren“, sagt Birgit Eckhardt. „Diese Kinder sind die wichtigste Zielgruppe für Prävention.“


Allerdings ist der Zugang zu den Kindern und Jugendlichen nicht immer einfach. „Sie tragen ein Geheimnis mit sich herum. Oft schämen sie sich für ihre Eltern, wollen sie aber natürlich nicht verraten.“ Wichtig ist deshalb, dass Lehrkräfte sowie Erzieherinnen und Erzieher geschult werden, um ein auffälliges Verhalten von Kindern entsprechend deuten zu können. „Da hat Niedersachsen noch viel Nachholbedarf“, sagt die Vorsitzende des Paritätischen. Betroffene Kinder benötigen Vertrauenspersonen, die ihnen neue Perspektiven eröffnen. Das können andere Familienmitglieder sein, aber auch Personen aus dem weiteren Umfeld, zum Beispiel Sozialarbeiter/-innen oder pädagogische Fachkräfte. So ist der Paritätische in Braunschweig zum Beispiel an einem Patenschaftsprojekt für Kinder suchtkranker Eltern beteiligt. „Solche Projekte sind wichtig, damit Kinder Widerstandsfähigkeit entwickeln können und nicht selbst in eine Abwärtsspirale geraten“, sagt Birgit Eckhardt.


Wichtig wäre ebenfalls, dass Therapieeinrichtungen für Suchtkranke auch deren Kinder aufnehmen. „Die Kinder müssen dort auch eine Therapie angeboten bekommen und nicht einfach nur betreut werden“, fordert die Landesvorsitzende des Paritätischen. „In Niedersachsen gibt es solche Modelle leider bislang nicht, da muss das Land dringend aktiv werden.“ Ein Problem für solche Einrichtungen stellt allerdings die Kostenübernahme dar: Unterkunft und Betreuung von Kindern in Therapieeinrichtungen finanziert die Rentenversicherung; eine Therapie müsste das zuständige Jugendamt übernehmen. „Die Jugendämter scheuen davor allerdings meist zurück, weil das ihr Budget sprengt. Da ist der Bund gefragt, die Verfahren zu vereinfachen und die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen.“


An der Aktionswoche für Kinder suchtkranker Eltern haben sich Organisationen in 60 deutschen Städten beteiligt, es gabmehr als 120 Veranstaltungen. In Niedersachsen haben sich auch etliche Einrichtungen und Mitgliedsorganisationen des Paritätischen an Aktionen beteiligt. Die Aktionswoche findet jedes Jahr um den Valentinstag herum statt – außer in Deutschland auch in den USA, in Großbritannien, Schweden, Slowenien und erstmals in diesem Jahr auch in der Schweiz. Mehr Informationen zur Aktionswoche gibt es im Internet unter www.coa-aktionswoche.de.