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PMS 02/18 v. 16.01.2018

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Jobcenter muss für Schulbücher zahlen – Eckhardt: Zugang zu Bildung neu regeln

Ein hoffentlich wegweisendes Urteil: Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass die Jobcenter Kosten für Schulbücher übernehmen müssen – zusätzlich zu den 100 Euro, die Kinder aus bedürftigen Familien jährlich über das Schulbedarfspaket erhalten. „Dieses Urteil zeigt, wie sehr unsere Gesellschaft Kinder aus armen Familien immer noch benachteiligt“, sagt Birgit Eckhardt, Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Niedersachsen e.V. „Von gleichen Bildungschancen sind wir weit entfernt. Die Politik muss den Zugang zu Bildung und Bildungsmaterialien grundsätzlich neu regeln.“

Eine Gymnasiastin aus Niedersachsen hatte geklagt. Das Jobcenter sollte ihr 135,65 Euro für Schulbücher und 76,94 Euro für einen grafikfähigen Taschenrechner auszahlen, hatte ihr aber nur die 100 Euro bewilligt, die das Schulbedarfspaket für jedes Schuljahr vorsieht. Davon sollen Kinder alle Schulsachen kaufen, vom Ranzen über Federmappen bis hin zum Sportzeug. „Das reicht hinten und vorne nicht“, sagt Birgit Eckhardt. „Jeder, der Familien mit Kindern kennt, weiß das.“

Tatsächlich liegt der Schulbedarf laut Studien zwischen 150 und 300 Euro pro Schuljahr; vor allem zu Schulbeginn, beim Wechsel in die weiterführende Schule und dann noch einmal bei der Versetzung in die siebte Klasse und in die Oberstufe fallen hohe Kosten an. „Familien, die ALG II oder andere Sozialleistungen beziehen, können sich das schlicht nicht leisten. Sie werden dann zu Bittstellern, sind auf Hilfe von Freunden und Verwandten angewiesen oder müssen ihre Kinder mangelhaft ausgestattet in die Schule schicken“, sagt Birgit Eckhardt. „Das Land sollte die Lernmittelfreiheit einführen, Schulen sollten außerdem genau schauen, welche Materialien, Hefte und Mappen auch tatsächlich gebraucht werden.“

Unabhängig davon müsse der Staat endlich die Kindergrundsicherung einführen. „2,5 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland gelten als arm“, sagt Birgit Eckhardt. „Mit der monatlichen Kindergrundsicherung von 393 Euro plus 180 Euro, um die Kosten für Bildung, Betreuung und Erziehung zu decken, ließen sich die Auswirkungen von Kinderarmut wirksam bekämpfen.“ Das Land Niedersachsen hat in der vergangenen Legislaturperiode im Bundesrat den Umbau des Fördersystems für Kinder gefordert, die damalige Sozialministerin Cornelia Rundt nannte die Kindergrundsicherung ausdrücklich als Ziel dieser Bemühungen. „Das Land steht hier in der Pflicht“, sagt Birgit Eckhardt. „Es ist an der Zeit, armen Kindern und Familien eine wirkliche Perspektive zu geben.“

Hintergrund I:
Das Landgericht Lüneburg hatte den Antrag der Schülerin noch abschlägig beschieden. Das Landessozialgericht in Celle stellt nun klar: Schulbücher sind über die Pauschale für Schulbedarf nicht abgedeckt. Eigentlich müsse das Geld über den monatlich gezahlten Regelbedarfssatz fließen. Der sieht aber nur drei Euro pro Monat für Bücher vor und unterscheidet nicht zwischen Schulbüchern und Freizeitlektüre. Das sei eine „planwidrige Regelungslücke“, urteilte das Gericht. Das Jobcenter muss nun die 135,65 Euro zusätzlich überweisen; den Taschenrechner muss die Gymnasiastin aus der 100-Euro-Pauschale zahlen.

Hintergrund II:
Der Paritätische Wohlfahrtsverband Gesamtverband e.V. ist Mitglied des Bündnisses KINDERGRUNDSICHERUNG. Mehr Informationen gibt es im Internet unter www.kinderarmut-hat-folgen.de.