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PMS 48/18 v. 23.11.2018

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Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen:

Häusliche Gewalt ist keine Privatsache

Verzweifelte Frau

„Gewalt gegen Frauen geht uns alle an“, sagt Birgit Eckhardt, Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Niedersachsen e.V., anlässlich des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen am 25. November. Im Jahr 2017 wurden 11.623 Fälle häuslicher Gewalt gegen Frauen in Niedersachsen aktenkundig, die Dunkelziffer ist noch höher. „Gewalt erfahren die meisten Frauen in einer Partnerschaft, nicht von Fremden. Aber auch häusliche Gewalt ist keine Privatsache, sondern eine Straftat.“ Bund und Land müssen sich noch mehr für die Aufklärung zu dem Thema engagieren und die Anlaufstellen – Beratungseinrichtungen und Frauenhäuser – besser fördern.

„Der Rechtsanspruch auf einen Frauenhausplatz muss endlich kommen“, sagt Birgit Eckhardt. Bisher fördert das Land die 42 Frauenhäuser über eine Förderrichtlinie mit je 4000 Euro pro Platz und Jahr. Geld für die Betreuung von Kindern, die oft gemeinsam mit der Mutter im Frauenhaus untergebracht werden, ist in der Richtlinie gar nicht vorgesehen. Für Investitionen in die Gebäude, für eine ausreichende Personalausstattung, für Bereitschaftsdienste nachts und am Wochenende reicht das Geld ohnehin nicht. Also müssen Kommunen und Landkreise einspringen – die machen das aber zu höchst unterschiedlichen Konditionen. Einige wenige Landkreise haben nach wie vor gar kein Frauenhaus. „Wir brauchen einheitliche, verlässliche und auskömmliche finanzielle Rahmenbedingungen“, sagt die Landesvorsitzende des Paritätischen, der selbst im Juni ein Frauenhaus im Kreis Helmstedt eröffnet hat. Ein Bundesgesetz könnte einerseits den Rechtsanspruch auf einen Platz verwirklichen, andererseits die Finanzierung regeln und für eine faire Aufteilung der Kosten zwischen Bund, Land und Kommunen sorgen.

Der Rechtsanspruch ist auch wichtig, weil immer wieder Frauen abgewiesen werden müssen – die Frauenhäuser sind einfach überfüllt. „Frauen, die vor gewalttätigen Partnern fliehen, müssen sich darauf verlassen können, eine sichere Unterkunft zu finden“, sagt Birgit Eckhardt. Ein Gesetz würde Land und Kommunen dazu verpflichten, sich an die Istanbul-Konvention zu halten und einen Familienplatz pro 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner vorzuhalten. Nach dieser Rechnung fehlen in Niedersachsen derzeit mindestens 400 Plätze. Eine Notaufnahmestelle wie das „24/7“ in Hamburg könnte ebenfalls zur Entspannung beitragen, und eine interaktive Karte, wie sie zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung steht, könnte Frauen schnell und unkompliziert den Weg zum nächsten Frauenhaus mit freien Plätzen weisen. Wichtig ist auch, noch stärker die Wohnungsnot zu bekämpfen. Denn oft finden Frauen in Not keine bezahlbare Wohnung und bleiben deshalb unnötig lange im Frauenhaus – Aufenthaltszeiten von einem Jahr und länger sind inzwischen keine Seltenheit mehr.

„Von Gewalt betroffenen Frauen Hilfe anzubieten, ist aber nur die eine Seite“, sagt Birgit Eckhardt. „Die Gesellschaft muss auch an die Ursachen ran, um häusliche Gewalt zu stoppen.“ Sexistische Strukturen sind in der deutschen Gesellschaft nach wie vor verankert, auch Schuldzuweisungen in Richtung betroffener Frauen sind nicht selten. „Vor allem muss klar sein, dass Gewalt in Beziehungen und in der Kindererziehung absolut tabu ist. Das müssen nicht die Frauen lernen, sondern in erster Linie die Männer.“ Plakative und nachhaltige Kampagnen könnten dabei helfen. „Den Spruch „Gib AIDS keine Chance“ kennt jeder Mensch – und diese Kampagnen haben gewirkt. Warum sollte so etwas zum Thema häusliche Gewalt nicht auch funktionieren?“, sagt Birgit Eckhardt. Vermehrte Aufklärung und die Schulung Berater/-innen und Polizist/-innen hat in den vergangenen Jahren schon viel dazu beigetragen, dass Frauen besser den Ausweg aus der Gewaltspirale finden und eher Anzeige erstatten. „Nun ist es an der Zeit, dass wir die Männer erreichen. Damit es gar nicht erst zu Gewalt kommt.“