Neuer Armutsbericht des Paritätischen: Jeder sechste Mensch in Niedersachsen betroffen – Armutsquote steigt auf 16,9 Prozent
Die Armut in Niedersachsen nimmt wieder zu – und sie verschärft sich. Das zeigt der heute veröffentlichte Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbands. Insgesamt müssen 2024 dem Bericht zufolge 16,9 Prozent der niedersächsischen Bevölkerung zu den Armen gezählt werden – das ist mehr als jede sechste Person, also rund 1,3 Millionen Niedersachsen und Niedersächsinnen. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Armutsquote um 2,1 Prozentpunkte gestiegen und liegt damit sogar über dem Bundesdurchschnitt von 15,5 Prozent.
Im bundesweiten Vergleich belegt Niedersachsen damit einen der vorderen Plätze im negativen Ranking der Armutsbetroffenheit. Nur Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Bremen schneiden noch schlechter ab. Während Niedersachsen auf Platz 5 landet, zeigen Bundesländer wie Bayern (11,8 %) und Baden-Württemberg (13,2 %), dass deutlich niedrigere Armutsquoten möglich sind.
„Wir erleben aktuell eine soziale Schieflage mit wachsender Dynamik – und wir dürfen uns daran nicht gewöhnen“, warnt Kerstin Tack, Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Niedersachsen. „Niedersachsen braucht jetzt einen gemeinsamen Kraftakt von Land, Kommunen und Bund. Der Sozialstaat als soziale Infrastruktur muss wieder in die Lage versetzt werden, Armut wirksam vorzubeugen und allen Menschen gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Nicht zuletzt geht es dabei auch um die Resilienz unserer Demokratie gegen ihre Feinde.“
Einkommensarme Menschen in Niedersachsen haben in den vergangenen Jahren massiv an Kaufkraft verloren. Während bundesweit das mittlere Einkommen von Menschen unterhalb der Armutsgrenze im Jahr 2020 noch bei 981 Euro im Monat lag, sind es 2024 preisbereinigt nur noch 921 Euro – ein realer Verlust von über 60 Euro monatlich.
Besonders betroffen von Armut sind Alleinerziehende, junge Erwachsene und Rentner*innen – wobei sich bei der Altersarmut ein deutlich weiblicher Schwerpunkt zeigt. „Es ist alarmierend, dass selbst Menschen mit jahrzehntelanger Erwerbsbiografie im Alter in Armut leben müssen“, so Tack weiter.
Besonders dramatisch ist der Anstieg der materiellen Entbehrung in Deutschland: 5,2 Millionen Menschen – darunter 1,1 Millionen Kinder und Jugendliche sowie 1,2 Millionen Vollzeitbeschäftigte – können sich etwa nicht leisten, die Wohnung warm zu halten oder alte Kleidung zu ersetzen.
Neben besserem Erwerbseinkommen sieht der Paritätische Niedersachsen dringenden Handlungsbedarf bei der Bekämpfung von Wohn- und Familienarmut, der Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung sowie beim Ausbau der sozialen Sicherungssysteme.
Zwar zeigt der Bericht eine positive Entwicklung bei der Zahl der Erwerbstätigen in Armut – diese ist leicht rückläufig –, doch für den Verband ist klar: Das reicht nicht. Der Rückgang sei vor allem auf die Erhöhung des Mindestlohns und die Reform des Wohngeldes zurückzuführen. „Das zeigt: Der Sozialstaat wirkt – wenn Maßnahmen konsequent und zielgerichtet umgesetzt werden“, betont Tack.
Der Paritätische Niedersachsen appelliert an die neue Bundesregierung, Armut und soziale Ausgrenzung endlich zur obersten Priorität zu machen. „Die Zeit des Zögerns ist vorbei. Es braucht jetzt einen kraftvollen politischen Kurswechsel – für mehr soziale Gerechtigkeit und ein menschenwürdiges Leben für alle“, so Tack abschließend.
► Der Paritätische Armutsbericht 2025 ‚Verschärfung der Armut‘ ist der erste Teil einer neuen Reihe von Armutsberichten mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten. Der Bericht stützt sich dabei insbesondere auf die Mikrozensus-Unterstichprobe zu Einkommen und Lebensbedingungen vom Statistischen Bundesamt MZ-SILC. Der nächste Teil der Paritätischen Armutsberichterstattung widmet sich dem Thema Kinderarmut.
► Mehr Informationen und der Bericht zum Download: www.der-paritaetische.de/armutsbericht