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Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen: "Schulgeldfreiheit in der Heilerziehungspflege wichtiger Baustein"

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PM 10/22 v. 04.05.2022

„Menschen mit Beeinträchtigungen sollen selbstbestimmt leben und an unserem gesellschaftlichen Alltag teilhaben können“, sagt Kerstin Tack, Vorsitzende des Paritätischen Niedersachsen, anlässlich des 30. Internationalen Protesttags zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen am 5. Mai 2022. „Dafür brauchen wir die richtigen Rahmenbedingungen. Dazu gehört, Menschen mit Behinderungen die individuelle Unterstützung zukommen zu lassen, die sie benötigen und wünschen. Der Fachkräftemangel bremst diese Bestrebungen allerdings aus. Die nächste Landesregierung muss deshalb schnell die Schulgeldfreiheit auch in der Heilerziehungspflege einführen. Dies ist ein zentraler Baustein, um die Ausbildung in diesem Bereich der sozialen Arbeit wieder attraktiver zu machen und dafür zu sorgen, dass wieder mehr Menschen in diesen sinnstiftenden Beruf einsteigen.“

In den vergangenen Jahren sind die individuellen Rechte von Menschen mit Behinderungen deutlich gestärkt worden. Im Jahr 2009 ratifizierte Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention, 2017 trat dann das Bundesteilhabegesetz (BTHG) in Kraft. „Das BTHG verkörpert einen Paradigmenwechsel“, sagt Kerstin Tack. „Nicht die Behinderung des Menschen steht im Fokus, sondern die Rahmenbedingungen, die Menschen an der uneingeschränkten Teilhabe in den verschiedenen Lebensbereichen behindern. Die Inklusion wird damit als Menschenrecht gewertet, das in allen Bereichen unserer Gesellschaft gilt.“ Die Eingliederungshilfe soll demnach von der Idee einer gesellschaftlichen Fürsorge hin zu einem Dienstleistungsgesetz entwickelt werden. Barrierefreiheit und technische Hilfsmittel zur Inklusion sowie politische und gesellschaftliche Mitsprache- und Beteiligungsmöglichkeiten spielen dabei eine wesentliche Rolle. „Mit dem Niedersächsischen Behindertengleichstellungsgesetz und der Einrichtung des Kompetenzzentrums Barrierefreiheit haben wir hier schon große Fortschritte gemacht“, sagt Kerstin Tack. „Diesen Weg gilt es konsequent weiterzuverfolgen.“

Den Kern des Bundesteilhabegesetzes macht allerdings der individuelle Rechtsanspruch auf eine Assistenz dort, wo es nötig ist, aus. „Diese Assistenz müssen wir als Gesellschaft in allen Lebensbereichen sicherstellen“, sagt die Vorsitzende des Paritätischen. Für viele Aufgaben in diesem Bereich ist allerdings ein spezifisches Fachwissen Grundvoraussetzung. Dieses Fachwissen erwerben junge Menschen in der Ausbildung zum*zur Heilerziehungspfleger*in. Der Fachkräftemangel ist hier wie in vielen sozialen Bereichen längst deutlich zu spüren. „Und wenn wir an den Arbeits- und Ausbildungsbedingungen nichts ändern, wird er noch zunehmen“, sagt Kerstin Tack. So sind die Ausbildungszahlen in der Heilerziehungspflege in den vergangenen Jahren um etwa ein Viertel zurückgegangen. Das hat auch damit zu tun, dass in der Heilerziehungspflege, als einem der letzten Ausbildungsberufe, noch Schulgeld gezahlt werden muss. „Die Schulgeldfreiheit ist ein wichtiger Baustein, um die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen dauerhaft sicherzustellen. Gleichzeitig muss daran gearbeitet werden, das Berufsfeld noch bekannter zu machen und eine Gesamtstrategie für die Fachkräftesicherung in der Sozialen Arbeit in Niedersachsen zu entwickeln“, so die Vorsitzende des Paritätischen Niedersachsen.

Der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen findet am 5. Mai 2022 bereits zum 30. Mal statt. Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben hat ihn 1992 zum ersten Mal organisiert. Bei diesem Aktionstag kämpfen Aktive jedes Jahr am 5.Mai für Inklusion und Teilhabe. In diesem Jahr steht lautet das Motto „Tempo machen für Inklusion – barrierefrei zum Ziel“.