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Auszug aus dem Bundestags-Newsletter Nr. 508 vom 06.05.2019 zur Betreuungsvergütung

| Fachinformationen

Sehr geehrte Mitglieder des Arbeitskreis Betreuungsvereine,

anliegend erhalten Sie zur Kenntnisnahme einen Auszug aus dem Bundestags-Newsletter Nr. 508 vom 06. Mai 2019 zur Betreuervergütung.

Mit freundlichen Grüßen

i.A. Christiane Schumacher
Referat Recht

Paritätischer Wohlfahrtsverband Niedersachsen e.V. - Gandhistraße 5a - 30559 Hannover
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      01. Experten für höhere Betreuervergütung
      Recht und Verbraucherschutz/Anhörung


      Berlin: (hib/mwo) Trotz Kritik an einzelnen Aspekten des
      Regierungsentwurfs für ein Gesetz zur Anpassung der Betreuer- und
      Vormündervergütung (19/8694) begrüßen die Betreuerverbände die darin
      vorgesehene Erhöhung. In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses
      für Recht und Verbraucherschutz am Montag betonten die als
      Sachverständige geladenen Verbändevertreter in ihren Stellungnahmen,
      die Anpassung sei angesichts der Schließung von Betreuungsvereinen
      und Betreuungsbüros kurzfristig dringend erforderlich, könne aber nur
      ein erster Schritt sein.


      Änderungswünsche, die der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum
      Gesetzentwurf (19/9765) geäußert hatte, lehnten die Sachverständigen
      wie schon zuvor die Bundesregierung ab. Die Fragen der Abgeordneten
      in der vom Ausschussvorsitzenden Stephan Brandner (AfD) geleiteten
      Sitzung 46. Sitzung des Gremiums betrafen vor allem die
      Arbeitsbedingungen der Betreuer und mögliche Verbesserungen, die
      Auswirkungen der in dem Entwurf vorgesehenen Regelungen sowie das im
      Gesetzgebungsprozess zutage getretene Spannungsfeld zwischen
      Bundesregierung und Bundesrat.


      Eine detaillierte Beschreibung des Berufsalltags von Berufsbetreuern
      gab Hülya Özkan aus Bielefeld, die nach eigenen Angaben 43 Klienten
      im Alter zwischen 19 und 106 Jahren vertritt, die aus den
      unterschiedlichsten Gründen eine rechtliche Betreuung benötigen. Sie
      werde als Berufsbetreuerin bestellt, wenn alle anderen Hilfesysteme
      versagt hätten. Özkan verwies auf die Studie "Qualität in der
      rechtlichen Betreuung" des Instituts für Sozialforschung und
      Gesellschaftspolitik (ISG), wonach Berufsbetreuer jetzt schon 20
      Prozent unbezahlte Mehrarbeit leisten. Die Studie zeige auch, dass
      Berufsbetreuer 24 Prozent mehr Zeit und 25 Prozent mehr Vergütung
      bekommen müssten, um das bezahlt bekommen was sie tatsächlich
      leisten.


      Thorsten Becker, Vorsitzender des Bundesverbands der
      Berufsbetreuer/innen (BdB), der die Interessen von über 7.000
      selbständigen oder als Angestellte in Betreuungsvereinen beruflich
      tätigen Betreuern vertritt, begrüßte, dass der Gesetzgeber nach
      nunmehr 14 Jahren die Initiative zu einer Erhöhung der
      Betreuervergütung ergriffen und dies in der laufenden Diskussion zum
      Reformprozess vorgezogen habe. Jedoch falle die Anhebung im Ergebnis
      enttäuschend gering und damit wenig wertschätzend aus. Wegen der vor
      allem von einigen Bundesländern vorgebrachten Maßgabe "so oder gar
      nicht" habe sich der BdB entschlossen, den Gesetzentwurf trotz der
      bestehenden Kritik zu akzeptieren.


      Barbara Dannhäuser vom Katholischen Verband für soziale Dienste in
      Deutschland (SKM) erklärte, die Caritas und ihre Fachverbände
      begrüßten grundsätzlich die Zielsetzung des Gesetzentwurfes, die
      Regelungen seien aber nicht weitreichend genug. Um eine schnelle und
      längst überfällige Erhöhung der Betreuer- und Vormündervergütung
      nicht zu verhindern, stimmten die Caritas-Verbände dem Entwurf zu.
      Dem schloss sich Karina Schulze vom Paritätischen Gesamtverband an,
      der rund 160 Betreuungsvereine vertritt. Sie sprach von einer
      Übergangslösung. Ähnlich argumentierte Lydia Hajasch von der
      Bundesvereinigung Lebenshilfe. Der Refinanzierungsbedarf der
      Betreuungsvereine werde durch die vorgeschlagenen Regelungen nicht
      hinreichend gedeckt. Die Grundannahme, dass der Betreuungsaufwand mit
      fortlaufender Dauer sinke, sei nicht auf alle Betreuungsfälle,
      insbesondere auf die der Menschen mit geistiger Behinderung,
      übertragbar.


      Dannhäuser ergänzte, mit Sorge würden die aktuellen Versuche der
      Länder beobachtet, weitere Kosteneinsparungen zu Lasten der Vereine
      zu fordern. Wie andere Sachverständige auch bewertete sie die
      angepeilte Erhöhung um durchschnittlich 17 Prozent angesichts von
      Personalkostenzuwächsen von mindestens 25 Prozent als zu niedrig.
      Zudem bemängelte Dannhäuser wie auch andere Experten, dass der
      Entwurf nicht die seit langem geforderte Dynamisierungsregelung
      sondern lediglich eine Evaluierung nach vier Jahren enthalte. Das sei
      viel zu spät, zumal mit tatsächlichen Anpassungen frühestens nach
      weiteren zwei bis drei Jahren gerechnet werden könne.


      Walter Klitschka, 1. Vorsitzender des Bundesverbands freier
      Berufsbetreuer (BVfB), warnte vor einem Aussterben des Berufs, sollte
      es keine Existenzsicherung für Berufsbetreuer geben. An die Adresse
      des Bundesrates sagte er, an der Anpassung der Vergütung zum 1. Juli
      2019 führe kein Weg vorbei. Die Länder wüssten seit mindestens 2017,
      dass eine Erhöhung der Ausgaben für Betreuung in der jetzt
      vorliegenden Größenordnung auf sie zukommt. Das Argument des
      Bundesrats zu einer Verschiebung auf 2020 aus haushaltstechnischen
      Gründen sei daher nicht stichhaltig. Für fragwürdig halte der Verband
      auch die vom Bundesrat vorgeschlagene Evaluierung erst nach fünf
      Jahren.


      Peter Winterstein, 1. Vorsitzender des Betreuungsgerichtstags (BGT),
      bezeichnete die Erhöhung der Betreuervergütung als überfällig. Am
      Vergütungssystem seien jedoch noch weitere Änderungen erforderlich.
      Zu den Vorschlägen des Bundesrates sagte Winterstein, eine
      Verlängerung des Evaluationszeitraums dürfe es auf keinen Fall geben,
      da eine neuerliche Verzögerung von weiteren notwendigen
      Vergütungsanpassungen die Existenz von Betreuungsvereinen grundlegend
      gefährde.


      Sehr detailliert setzte sich der Familienrechtler Tobias Fröschle von
      der Universität Siegen mit dem Entwurf auseinander. Ein Vorteil sei,
      dass eine schwer durchschaubare Berechnungsregelung durch ein
      einfacher zu handhabendes System ersetzt werde. Viele Zweifelsfragen
      blieben jedoch bestehen. Änderungen würden hier aber einer
      umfassenden Neuregelung vorgreifen. Entgegen der Stellungnahme des
      Bundesrates könne die Anpassung der Betreuervergütung keineswegs
      warten, bis dieser Prozess abgeschlossen ist. Das würde die Gefahr
      der Schließung weiterer Betreuungsvereine heraufbeschwören. Bezüglich
      einer Evaluation teile er jedoch die Bedenken des Bundesrates.


      Wirksame Regeln und Strukturen zum Schutz vor Korruption bei
      rechtlicher Betreuung forderte Adelheid von Stösser von Transparency
      International Deutschland. Die Diskussion lasse bisher nicht
      erkennen, dass die Gefahr der Korruption berücksichtigt wird. Im
      Vordergrund stünden vielmehr Eigeninteressen der gewerbsmäßigen
      Akteure. Die Vergütungen duften erst steigen, wenn auch die
      Sicherheit verbessert werde, sagte von Stösser. Transparency
      International fordere bundesweit geltende Sicherheitsstandards. Nötig
      sei auch eine Begrenzung der Anzahl von Betreuungen pro Betreuer.


      In dem Gesetzentwurf ist ausgehend vom Koalitionsvertrag eine
      Erhöhung der Vergütung um 17 Prozent in einem modernisierten System
      von Fallpauschalen vorgesehen. Mit den vorgeschlagenen Änderungen
      soll der Vorlage zufolge eine rechtstechnisch einfach und schnell
      umsetzbare, Qualitätsaspekte berücksichtigende und angemessene
      Anpassung der seit mehr als 13 Jahren unveränderten Vergütung
      beruflicher Betreuer erfolgen, die insbesondere auch geeignet ist,
      eine existenzsichernde Finanzierung der Betreuungsvereine
      sicherzustellen. In ihrer Gegenäußerung zur kritischen Stellungnahme
      des Bundesrates zum Gesetzentwurf verteidigt die Bundesregierung ihre
      Vorlage und lehnt die Änderungsvorschläge der Länderkammer abgelehnt.
      Der Bundesrat weist in seiner Stellungnahme unter anderem darauf hin,
      dass der Gesetzentwurf für die Länder eine jährliche Mehrbelastung
      von rund 157 Millionen Euro vorsieht. Er hält es für unerlässlich,
      diese Mehrbelastung über einen höheren Anteil der Länder am
      Umsatzsteueraufkommen auszugleichen. Änderungsvorschläge betreffen
      auch die Evaluierung des Gesetzes und dessen Inkrafttreten. In der
      Gegenäußerung der Regierung heißt es unter anderem, die Finanzierung
      der Betreuer- und Vormündervergütung sei bei Mittellosigkeit der
      betroffenen Person Aufgabe der Länder. Auch gebe es aus Bundessicht
      keine Notwendigkeit zur Anpassung der Umsatzsteuerverteilung
      zugunsten der Länder.

 

 

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